· 

What goes up, must come down!

Heute war ein strahlend schöner Sonntagnachmittag, wie geschaffen, sich kurzbeärmelt auf eine längere Laufrunde zu machen. Natürlich kreisen da ab einigen Minuten lockeren Dahintrabens die ersten tiefgründigeren Gedanken, wahrscheinlich etwas, das all jene kennen, die regelmäßig die Laufschuhe schnüren, um ein wenig abzuschalten und die Natur zu genießen, so wie ich das gern tue. Im gegenständlichen Falle drängten sich mir - bedingt wohl durch das abwechselnde Voreinandersetzen meiner Füße auf den heimatlichen Wald- und Feldwegen - Parallelen dazu auf, wie man jede größere Aufgabe anzugehen hat: Schritt für Schritt.

Und so eine "größere Aufgabe" ist für viele Leute landauf, landab mit Sicherheit auch die Herausforderung, sich nach dem ernährungstechnisch laschen Winter wieder in eine halbwegs passable Form fürs nahegelegene Freibad zu bringen. Oder zumindest wieder in die Frühlingsgarderobe vom letzten Jahr zu passen. Je nachdem.

Und genau da haken diverse coole "Ich-mach-dich-krass-in-nur-acht-Wochen"-Abnehmprogramme ein. Der seit Monaten, manchmal Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten kultivierte Backhendlfriedhof soll innerhalb kürzester Zeit, also auf alle Fälle noch vor Öffnung der Freibäder, zum Verschwinden gebracht und einer möglichst instagramkompatiblen Athlet*innenfigur weichen. Jetzt mal ernsthaft: Nein, das geht nicht. Keine Chance. No way.

Gut, wenn man natürlich nur eine dünne Schicht Winterspeck angesetzt hat - ich rede da jetzt von maximal fünf Kilogramm bei einem Körpergewicht oberhalb der 50-Kilo-Grenze -, dann ist dessen Eliminierung in ein bis zwei Monaten durchaus auf vernünftige Art und Weise sowie nachhaltig möglich. Je höher allerdings der Anteil an überschüssigem Fett auf den Rippen (und anderswo) ist, desto mehr Zeit muss man auch einplanen.

Und daran krankt es. Geduld ist in unserer Zeit mehr und mehr zur Ausnahmeerscheinung geworden, alles muss sofort verfüg- und abrufbar sein, die Google-Mentalität hat in sämtliche Lebensbereiche Einzug gehalten. Das bedeutet: Abnehmen muss mit der Brechstange in kürzester Zeit funktionieren. Wunderpillen, Wundertrainingspläne, Wunderdiäten, sie alle boomen - und das bereits seit Jahrzehnten.

Blöd nur, dass jede und jeder, der sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt hat, weiß, dass keine magischen Hilfsmittel existieren, um Fett abzubauen. Die Formel ist einfach: Man verbrauche mehr Energie als man zuführe, dann muss der Körper seine Brennstoffdepots (und das sind vor allem die Fettspeicher) leeren. Punkt. Das isses.

 

Wieso aber fällt so vielen Abnehmwilligen die Umsetzung dieser simplen Formel so schwer?

Primär wahrscheinlich deshalb, weil wir in einem Körper leben, der nicht für die heutige Umwelt designt ist, sondern für eine, in der das (Über-)Leben anstrengend war und viel Energie verbraucht hat. Aus physiologischer Sicht also existiert der Stolperstein, dass wir jedes Fitzelchen Energie, das wir zu viel bekommen, sofort für schlechte Zeiten auf den Hüften aufbewahren. Das Problem: Diese schlechten Zeiten kommen nicht, wir leben ständig im Überfluss - ergo bunkern wir mehr und mehr und mehr Vorräte. Und diese sehen nur bedingt sexy aus, wenn sie über die Badehose hängen und dort bei jedem Schritt zum Pommes-Stand im Freibad sanft mitschwabbeln.

 

Allerdings gibt es noch einen zweiten, meines Erachtens viel heimtückischeren Stolperstein, nämlich einen psychischen:
Die High-Speed-Abnehmprogramme bestehen notgedrungen aus durchaus einschneidenden Eingriffen in die bisherigen Lebensumstände der Abnehmwilligen. Da soll von heute auf morgen nicht nur die Ernährung, sondern auch das Bewegungspensum grundlegend verändert werden. Beides ist notwendig, beides ist prinzipiell gut.

Die Crux an der Sache besteht aber darin, dass wir nicht nur die physischen, sondern auch die psychischen Lebenserhaltungssysteme unserer Vorfahren geerbt haben. Das bedeutet, wir sind von Mutter Natur darauf programmiert, uns möglichst viel Essen einzuverleiben und möglichst wenig zu bewegen, um unsere Energie dann zur Verfügung zu haben, wenn wir sie zum Überleben (zum Beispiel in Zeiten von Hungersnöten, beim Kampf mit angreifenden Feinden oder bei der Jagd) brauchen. Blöd nur, dass diese Situationen in unserer modernen Welt eher selten bis gar nicht mehr eintreten. Aufgrund all dieser Mechanismen fällt es uns also verdammt schwer, radikale Umstellungen unseres Lebenswandels vorzunehmen.

Somit müssen wir unsere natürliche Programmierung umgehen. Das funktioniert bei einigen wenigen Menschen sicher mit schierer Willenskraft, aber ich stelle einmal die kühne Behauptung auf, dass 95 Prozent derjenigen, die ein solches Extremabnehmprogramm beginnen, noch vor Erreichung ihres Ziels scheitern. Und auch die restlichen fünf Prozent laufen Gefahr, nach der Ziellinie wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Was folgt, ist erneute Fettzunahme, bei welcher der Körper vorsichtshalber gleich mehr bunkert als zuvor - es könnten ja noch härtere Zeiten als die eben überstandenen kommen und da muss man ja vorsorgen. Nach der gewichtsmäßigen Talfahrt folgt also höchstwahrscheinlich ein mindestens so extremer Höhenflug - der berühmt-berüchtigte Jo-Jo-Effekt hat wieder zugeschlagen.

 

Aber wie kann man den verhindern?

Mein Tipp - nimm dir weder bei der Ernährung noch beim Sport zu viel vor! Falls das jetzt widersinnig klingt, lass es mich kurz erklären:

Die weiter oben angesprochenen einschneidenden Eingriffe in deine Lebensumstände rufen sofort sämtliche Abwehrmechanismen auf den Plan, die die Natur sinnvollerweise für solche eigentlich lebensbedrohlichen Fälle vorgesehen hat. Wenn du allerdings nicht sofort dein gesamtes Ess- und Bewegungsverhalten umkrempelst, werden diese Notprogramme auch nicht aktiviert - weder die körperlichen, noch die geistigen. Pick dir zuerst das Hauptproblem heraus, von dem du annimmst, dass es dir beim Abnehmen im Weg steht, und ändere das. Nur das. Du wirst merken, es fällt dir gar nicht so schwer. Ja, natürlich ist das nur ein kleiner Schritt, aber es ist der erste und damit auch der wichtigste. Wenn du den Eindruck hast, dass du diese Gewohnheit verlässlich abgelegt hast, mach den zweiten Schritt, sprich, ändere das nächste ungesunde Verhalten. Dann das dritte und so weiter. Aber immer erst dann, wenn du sicher bist, dass es für dich gut machbar ist, den nächsten Schritt zu setzen.

 

Selbstverständlich wirst du auf diese Art und Weise nicht in acht Wochen vom Fettklops zum Supermodel mutieren, aber dafür bist du verlässlich auf dem richtigen Weg. Auf jenem Weg, der dich nicht auf eine gewichtsmäßige Berg-und-Talbahn führt, sondern auf einem, der dich, ruhig und bedächtig begangen, zum Ziel bringt.

Nur das zählt. Auch nächstes Jahr gibt es nämlich wieder eine Badesaison. Und das Jahr darauf. Und... ach, du weißt schon.