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Babyspeck

Übergewicht scheint in unseren Breiten mittlerweile etwas ganz Normales zu sein. Etwa so wie gefärbte Haare oder ein Bauchnabelpiercing. Besonders beliebt scheint auch die Kombination dieser drei Faktoren zu sein.

Doch nur der erste ist gesundheitlich wirklich bedenklich.

Klar, es gibt massenweise Studien zu dem Thema. Alle Menschen der Industrienationen bekommen regelmäßig via Medien sämtliche Informationen über die Gefahren von Übergewicht um die Ohren geschlagen. Jede Frau und jeder Mann in Europa weiß, dass zu üppiges sowie falsches Essen krank macht. Und trotzdem: Offenbar nimmt diese Warnungen kaum jemand ernst. Nicht umsonst ist laut diversen Erhebungen die Lage in Österreich so, dass etwa ein Drittel der Frauen und über die Hälfte der Männer übergewichtig sind. Zehn bis fünfzehn Prozent der Österreicher sind sogar als regelrecht fettleibig einzustufen. Aber auch anderswo sieht es nicht unbedingt besser aus, deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Fettsucht – mit Fachausdruck Adipositas – zum größten chronischen Gesundheitsproblem bei Erwachsenen weltweit erklärt.

Was aber soll dieser reichlich theoretische Exkurs?

Auslöser ist, dass es mir erst gestern wieder in meiner Eigenschaft als Lehrer und im Gespräch mit unserem Schularzt bewusst geworden ist: Meine Schülerinnen und Schüler werden immer dicker. Gut, man kann hier natürlich sofort ins Treffen führen, dass die Bewegungsmöglichkeiten stetig weniger werden, dass Computer (vor allem in Pandemiezeiten), Spielkonsolen und Co. die Kinder vom Toben im Freien abhalten und so weiter. Doch wer immer auch nur ein wenig Ahnung von physiologischen Vorgängen hat, der weiß, dass Fettreduktion über Bewegung allein nicht funktioniert. Sport ist für unsere Gesundheit essentiell, keine Frage. Krafttraining, kombiniert mit Ausdauer-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining ist ein Jungbrunnen und verhindert mit Sicherheit einen Großteil aller sogenannten Zivilisationskrankheiten. Dreh- und Angelpunkt beim Abnehmen ist aber nach wie vor die Ernährung – da beißt die Maus keinen Faden ab.

Und der Speiseplan vieler Kinder ist einfach grottenschlecht. Zwölfjährige, die von einem Zuckerschock zum nächsten existieren, die als Getränk nur gesüßte Limonaden akzeptieren, für die eine warme Mahlzeit vor Fett triefen muss und die aussehen, als hätte man Humpty Dumpty mit dem Michelinmännchen gekreuzt, fallen nicht vom Himmel, die sind gemacht. Und zwar von Eltern, die entweder zu ignorant sind, um sich mit richtiger Ernährung zu beschäftigen, die zu wenig durchsetzungskräftig agieren, um Einfluss auf das Essverhalten des Nachwuchses zu nehmen, oder deren Fett- und Zuckersucht sie bereits selbst dermaßen in den Klauen hat, dass sie ihre eigenen Probleme eins zu eins an die nächste Generation weitergeben. Auch Hybride aus diesen Typen soll es geben.

Mütter, die mir beim Elternsprechtag auf zwei Sesseln gegenübersitzen und kurzatmig davon schwärmen, wie sehr sie nicht auf die gesunde Ernährung des Sprösslings achten, der seine primären Geschlechtsmerkmale allerdings seit seiner Kindergartenzeit nur mehr haptisch oder im Spiegel wahrnehmen kann, wirken auf mich persönlich nicht allzu glaubwürdig.

Ja, Österreich ist das Land der Deix-Figuren und es erscheint mir wirklich ehrenwert, dass das Andenken an diesen genialen Künstler so selbstlos am Leben gehalten wird.

Selbst wenn das heißt, das Gesundheitssystem auf Teufel-komm-raus zu belasten, hässlich, inaktiv und schmerzgeplagt zu sein, die gelernte Österreicherin und der gelernte Österreicher scheuen keinen Unbill, wenn es darum geht, ihrer eigenen Karikatur möglichst ähnlich zu sein.

Aber bitte, um Himmels willen, lasst die Kinder da raus! Babyspeck ist bei Mittelschülern längst keiner mehr und als dreizehnjähriger männlicher Pubertierender mehr Oberweite zu besitzen als die fünfunddreißigjährige Klassenlehrerin mit Körbchengröße G ist nicht sexy.

Sollte an dieser Stelle jemand meinen, hierbei müsste die Institution Schule eingreifen, dann gebe ich ihm natürlich Recht. Die Fächer Biologie und Umweltkunde sowie Ernährung und Hauswirtschaft haben diese Problematik dezidiert in den Lehrplänen festgeschrieben – welche auch fleißig umgesetzt und vermittelt werden. Darüber hinaus gibt es den wöchentlichen Obsttag in den Klassen, die gesunde Jause, Getränkeautomaten, die nur mit dementsprechend kalorienarmen Produkten bestückt sind, und vieles mehr.

Doch was nützt das, wenn die Zwei-Liter-Eisteeflasche in die Schule mitgebracht wird? Wenn die übliche Jause aus Nutellabroten besteht? Wenn Kartoffelchips als Pausensnack dienen?

Nichts.

Mahlzeit.