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Fett, faul und philosophisch

Ich gebe es zu:

Die frisch überstandene Weihnachtszeit verleitete natürlich auch mich dazu, zwei Tage ohne Training zu verbringen, in denen ich gemütlich mit meinen zwei Jüngsten zeichnete, spielte und vor der "Tribute-von-Panem"-Filmreihe knotzte, Pizza sowie Kekse aß und ansonsten nicht viel unternahm.

Ich tat das alles voller Überzeugung und mit Genuss. Ja, ich hatte es nicht einmal notwendig, die "Ab-dem-neuen-Jahr-wird-alles-anders"-Ausrede zu bemühen, da ich ganz genau wusste, dass bereits am nächsten Tag wieder das übliche Training fortgesetzt werden würde. Komme, was da wolle. Den strahlenden Sonnenschein des 27.12. nutzte ich bereits wieder für einen mittellangen Lauf entlang der Thaya. Dabei fühlte ich mich stark wie eh und je, es war keine Überwindung notwendig - und ein schlechtes Gewissen wegen der Völlerei der vergangenen beiden Tage kam erst gar nicht auf.

Yin und Yang: Wer diszipliniert ist, darf sich auch hin und wieder gehen lassen. Wer sich nur gehen lässt, hat keine rechte Freude am Leben. Übrigens genauso wenig wie derjenige, der immer und ohne Ausnahme nur diszipliniert ist.

 

Abgesehen davon wurde mir beim Laufen auch (wieder einmal) eine weitere Paarung bewusst, von welcher ich der Meinung bin, dass sie in jedem gesunden menschlichen Wesen ausgeglichen vorhanden sein sollte: körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.

Doch gerade die wird immer wieder mit Argwohn betrachtet:

Hirn und Bizeps werden als anatomische Erzfeinde angesehen, Bildung und Bodybuilding als gegenüberliegende Endpunkte jeder Interessensskala, Kultur und Fitness als unvereinbare Gegensätze.

Für die regelmäßigen Leserinnen und Leser dieses Blogs ist es wahrscheinlich wenig überraschend, dass ich das ein wenig anders sehe. Doch dazu später noch mehr.

Die in der Überschrift genannten drei Säulen der Persönlichkeit von Garfield, dem wohl bekanntesten Comic-Kater unserer Tage (der übrigens mittlerweile auch schon 42 Jahre auf dem orangen Buckel hat), sind etwas, das in der Volksmeinung normalerweise gut zusammenpasst: Denker beiderlei Geschlechts sollten sich tunlichst mit Schöngeistigem, nicht mit schnöde Körperlichem befassen. Insofern schade es Intellektuellen gar nicht, ihr Äußeres zu vernachlässigen und sich weder um eine ansehnliche noch um eine leistungsfähige Physis zu bemühen. Geistige und körperliche Stärke seien zwei vollkommen unabhängige Parameter, ja, man könne sogar davon ausgehen, dass Menschen, die Zeit und Energie in die Verbesserung ihrer Fitness steckten, intellektuell nicht allzu viel zu bieten hätten.

Selbst wenn diese Meinung nicht immer so drastisch formuliert wird, so ist sie als ungeschriebenes Gesetz in den Köpfen der meisten Mitteleuropäerinnen und -europäer präsent. Sie taucht unterschwellig in Texten auf, in Cartoons, in Werbesujets oder auch in Kabarettprogrammen. Es folgen zwei mittlerweile klassische Beispiele. :-)

Ich liebe diese beiden Nummern. Wirklich. Ich finde sie lustig und sogar durchaus lebensnah. Allerdings transportieren sie - mehr oder minder unbeabsichtigt - die Botschaft, dass Sport und Intelligenz sich widersprächen. Und hierzu gibt es durchaus andere (wissenschaftlich fundierte) Erkenntnisse.

 

Aufgrund meines Lehramtsstudiums und einer mittlerweile jahrzehntelangen Berufserfahrung weiß ich, dass ein gutes Sportangebot für Kinder und Jugendliche sehr, sehr wichtig ist. Nicht nur, was ihre körperliche, sondern auch, was ihre geistige Entwicklung anbelangt. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass körperliche Fitness einen positiven Effekt auf Gehirnfunktionen hat, die sogar in engerem Zusammenhang mit der Lernleistung stehen als der so gerne ins Treffen geführte Intelligenzquotient. Welche aber könnten das sein? Ganz einfach:

Körperliche Aktivität beeinflusst etwa Bereiche des präfrontalen Kortex, eines Bereichs im Gehirn, der für die so genannte Selbstregulation verantwortlich ist. Das bedeutet nichts anderes als die Fähigkeit, das eigene Verhalten so zu beeinflussen, dass man selbst gesetzte Ziele erreicht - die wohl wichtigste Fähigkeit, die man haben muss, wenn man erfolgreich lernen möchte. Ohne diese Zielstrebigkeit kann weder die Absolvierung einer Schule, einer Berufsausbildung noch eines Studiums reibungslos gelingen.

Um noch ein bisschen in der Biologie zu bleiben: Wenn man sich dementsprechend sportlich betätigt, kommt es zur Fettverbrennung. Die wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass der Körper mehr Serotonin bildet, ein Hormon, das auf unser Zentralnervensystem wirkt: Die Stimmung hebt sich, Ängste und Aggressionen nehmen ab, die Stressverarbeitung wird unterstützt und Gedächtnisprozesse gefördert. Somit hat Sport ganz unmittelbar Einfluss auf unsere Lernleistung.

Deutsche Neurologen konnten in einem Experiment zum Beispiel auch nachweisen, dass kurze, hochintensive Belastungen einen positiven Effekt aufs anschließende Vokabellernen haben.

Bei den meisten Ballspielen - ja, auch bei Fußball -  benötigt man unter anderem eine rasche Umstellungsfähigkeit von Angriff auf Verteidigung. Dieses wiederholte Umdenken trainiert die kognitive Flexibilität - sprich, die Fähigkeit, sich schnell auf verschiedene Gegebenheiten einzustellen. Und das wiederum wird als einer der Hauptfaktoren hoher Intelligenz angesehen.

Um sich Bildung anzueignen, muss man natürlich weiters bereit sein, sich anzustrengen und das auch länger durchzuhalten - eine weitere Eigenschaft, die durch Sport nachweislich erworben wird.

Inhibition hingegen ist die Fähigkeit, spontane Impulse zu unterdrücken. Dies benötigt man, um sich in der Gesellschaft angemessen zu benehmen. Weder durch hysterische Wutausbrüche noch durch Prügeleien wird man seinen sozialen Status sonderlich heben können. Ist diese Inhibition gut ausgebildet, fällt es Kindern und Jugendlichen leichter, einen Konflikt mit Worten zu führen und nicht mit Fäusten auszutragen. Das auf den ersten Blick Merkwürdige ist, dass man jene Fähigkeit zum Unterdrücken spontaner Impulse am besten in Kampfsportarten erlernt. Wer Sportlerinnen und -sportler aus diesem Bereich kennt, weiß allerdings, dass es meist diejenigen im Freundeskreis sind, die in Auseinandersetzungen am wenigsten aufbrausend agieren.

Nachdem ich aber nicht primär über das Sozialverhalten, sondern tatsächlich über den Zusammenhang zwischen Sport und Intelligenzquotient schreiben möchte, reiße ich hiermit das gedankliche Lenkrad wieder herum und fahre auf der ursprünglichen Argumentationsstraße weiter:

Eine Langzeitstudie aus Schweden ergab, dass eine Verbesserung der Fitness im Alter zwischen 15 und 18 Jahren mit einer höheren Intelligenz im Erwachsenenalter korreliert. Weshalb ist das so? Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass mit einer erhöhten Fitness der jungen Erwachsenen meist auch ein höherer Bildungsabschluss und damit ein ebensolcher sozio-ökonomischer Status im späteren Leben einherging. Wie weit in diesem Zusammenhang wieder die durch Sport erworbene Selbstdisziplin das Lernen begünstigt und so die Tür zu höherer Bildung öffnet, sei natürlich dahingestellt. Aber wir Menschen sind ja alles andere als eindimensionale Wesen. Eine Eigenschaft beeinflusst die andere und somit kann man durchaus die freche Behauptung aufstellen, dass Fitness eine nicht unwesentliche Schuld an der Höhe der Intelligenz hat, die durch Übung kognitiver Fähigkeiten (also durch vermehrtes Lernen) erhöht wird. Durch welche der mannigfaltigen Stellschrauben sie nun genau Einfluss auf unsere Gehirnleistung nimmt, ist zwar interessant, hat aber letzten Endes keinen Effekt auf das Ergebnis. Dass die Resultate dieser Studie tatsächlich aussagekräftig sind, erkennt man auch daran, dass ein- und zweieiige Zwillinge einbezogen wurden. So konnte man zeigen, dass definitiv nicht die Genetik der Probandinnen und Probanden für den Bildungsweg ausschlaggebend war, sondern die unterschiedlichen Lebensbedingungen.

Das Fazit lautete eindeutig: Man kann mit Sport offensichtlich die Intelligenz positiv beeinflussen.

Und ja, es gibt strunzdumme Sportlerinnen und Sportler, ebenso wie es hochintelligente Bewegungsmuffel gibt. Doch das ändert nichts an dem Umstand, dass Fitness für die kognitiven Fähigkeiten etwas durchaus Förderliches ist. Umgekehrt ist es so, dass intelligente Menschen für gewöhnlich erkennen, dass ihr Körper das Vehikel ist, welches ihren Geist beherbergt. Und das will nun einmal gut gewartet werden, um genau diesem Geist alle relevanten Möglichkeiten des Ausdrucks zu bieten. Vor allem aber sind intelligente Menschen oftmals belesen genug, um zu wissen, wie wichtig Bewegung für die physische wie psychische Gesundheit ist.

Langer Rede kurzer Sinn - mir ist wichtig, dass nach der Lektüre dieses Artikels jeder Leserin und jedem Leser folgendes klar ist:

Niemand wird durch Sport dumm - ebenso wie niemand durch körperliche Trägheit intelligent wird.

Wenn wir alle das verinnerlicht haben, dann ist schon einmal viel passiert.

Zumindest in den Köpfen.

Noch nicht im Bizeps.