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Distanztraining im Juni

Mittlerweile werden auch die langen Läufe zur beinahe liebgewonnenen Gewohnheit. Einmal pro Woche mache ich mich auf eine ausgiebigere Tour - und das seit mittlerweile zwei Monaten.

Das Laufen ohne Zeitdruck, dafür mit dem Ziel, eine bestimmte Mindestlänge nicht zu unterschreiten, macht auf seine ganz eigene Art und Weise Spaß.

Den letzten Monat des Schuljahres begann ich diesbezüglich mit einem Lauf, der mich mit einer Zusatzschlaufe von Reingers nach Litschau führen sollte. Dort war das Ziel, eine kurze Eispause einzulegen und dann wieder nach Hause zu joggen.

Dieser Plan ging eigentlich ganz gut auf. Also fast. Zumindest teilweise. Ein bisschen halt.

Guter Dinge trabte ich los, überquerte den ersten Hügel, lief westlich an Leopoldsdorf vorbei und nahm einen mir seit langem bekannten Feldweg nach Groß Radischen. Von dort lief ich die Anhöhe zur nahen Bundesstraße hinauf, querte diese und startete das erste Wagnis des Tages: Ich folgte einem Weg, den ich bis dahin noch nicht ausprobiert hatte, der aber in die Richtung führte, in der Reitzenschlag - meine nächste Station auf dem Weg nach Litschau - liegen musste. Dass mich dieser allerdings lediglich an einen idyllischen Teich inklusive dicht verwachsenem Ufer führte, erschien mir dann doch nicht so erfreulich. Ich hatte an dieser Stelle bereits sieben Kilometer in den Beinen und war gezwungen, durch Unterholz und Brennnesseln wieder auf einen Weg zu gelangen, der mich ungefähr in die Richtung führen würde, in die ich wollte. Das war allerdings absolute Fehlanzeige. So schlug ich mich - kurzhosig wie ich war - zumindest zum Waldrand durch und lief am Rand eines Feldes wieder zurück bis zur Straße, der ich ein Stück nach Norden folgte, bis ich an die Abzweigung Richtung Reitzenschlag gelangte. Diese Aktion hatte mich gute zwei Extrakilometer gekostet. Ich beschloss säuerlich lächelnd, die Sache sportlich zu sehen, aber andererseits auch keine großen Risiken den Wegverlauf betreffend einzugehen und ganz entspannt auf der Straße nach Litschau zu laufen.

So trabte ich also die nächsten fünf Kilometer ohne jede geistige Anstrengung am Straßenrand entlang, was zwar nicht rasend spannend, aber durchaus beruhigend war. Vor allem kam ich ja mit jedem Schritt meiner Zwischenetappenbelohnung, einem Eis in der Konditorei meines Vertrauens, einige Zentimeter näher.

Bergauf und bergab führte mich der frühlingswarme Asphalt, bis ich die Litschauer Stadtgrenze überquerte, an Pflegeheim, Schule, Pizza-Kebap-Laden, Blumengeschäft, Banken und so weiter bis fast zur zentralen Pfarrkirche lief, an deren Seite die mich schon förmlich erwartende Labestelle zu finden war.

Kleine Zusatzinfo: In und vor der unten ersichtlichen Volksbankfiliale wurde die Banküberfallszene der kultigen Satire-Miniserie "Braunschlag" aus dem Jahr 2011 gedreht. Für alle, TV-Aficionados, die sich noch daran erinnern... ;-)

Dann wurde die Tracking-App gestoppt, eine Tüte Schokoeis erstanden und im kleinen Park neben der Kirche eine ebenso kleine Pause eingelegt. Eis macht durstig, also füllte ich auch meine Wasserreserven auf der Konditoreitoilette auf und trat voller Tatendrang wieder ins Freie. Vierzehn Kilometer hatte ich bis dahin bereits zurückgelegt. Der Heimweg konnte also ruhig etwas kürzer ausfallen.

 

Zu Beginn ging es wieder bergauf, ich folgte der Hörmannser Straße nach Norden, um am Ortsende von Litschau wieder ostwärts Richtung Schandachen zu joggen. Das war eine Strecke, die ich auch schon des öfteren beim Nachhauselaufen von der Arbeit gewählt hatte, also auch nichts, was mich intellektuell und orientierungstechnisch groß fordern würde.

Business as usual. Eigentlich langweilig. Das schrie geradezu nach einem kleinen Experiment.

Also bog ich verhältnismäßig spontan in einen Feldweg ab, den ich auch noch nie getestet hatte, der aber durchaus vielversprechend aussah.

Auch dieser kostete mich dadurch, dass er sich dann doch als Sackgasse entpuppte, etwa zwei Extrakilometer.

Landschaftlich war er allerdings ein Gewinn.

Und wie gesagt, man muss so etwas sportlich sehen. :-(

Den Rest des Weges (etwa sieben Kilometer) ging ich allerdings keine Wagnisse mehr ein. Schön langsam wollte ich doch unter die Dusche. Und als ich sie erreicht hatte, waren an diesem Tag summa summarum weit über 25 Kilometer zur Jahresgesamtstrecke hinzugekommen. Ich war durchaus zufrieden. Zerstochen, zerkratzt, aber zufrieden.

 

Dann war ich sechs Tage zur körperlichen Untätigkeit verdammt: Ich fuhr beruflich nach Kärnten. Mit dreißig Kindern im Schlepptau wurde dort gewandert, geradelt, eine Raftingtour unternommen, geklettert und geschwommen. Untätigkeit ist also in diesem Fall auch ein wenig relativ zu sehen.

 

Nach meiner Rückkehr und einem Wiedereinstiegs-Krafttraining am Samstag beschloss ich, die zweite Juniwoche mit einem weiteren längeren Lauf am Tag des Herrn ausklingen zu lassen.

Gesagt, getan, auch wieder bei strahlend schönem Wetter machte ich mich auf die Socken: Zuallererst führte mich mein Weg durch den nahen Wald über die "Weite Wies" bis zur Bundesstraße, der ich nach Illmanns folgte.

Dort bog ich Richtung Griesbach ab, blieb aber nicht lange auf der sicheren Straße, sondern versuchte etwas, das ich bisher nicht gemacht hatte: Ich wollte mit Hilfe der Tracking-App und dem Online-Kartenmaterial auf einer mir bis dahin unbekannten Runde in die nächste Ortschaft gelangen. Und Wunder über Wunder - das funktionierte sogar tadellos. Ich musste keinen einzigen unnötigen Meter zurücklegen. Richtiggehend langweilig.

Erst etwas mehr als sieben Kilometer hatte ich zurückgelegt, als ich durch Griesbach joggte. Verhältnismäßig wenig. Ich musste eindeutig noch Kilometer sammeln. Doch wie sollte ich das am besten anstellen? Egal, mir würde schon etwas einfallen. Vorerst jedoch hieß es, ein wenig Energie zu sparen: Die Steigung zwischen Griesbach und Grametten, die ich als nächstes zu bewältigen hatte, ist für Waldviertler Verhältnisse nicht nur steil, sondern auch lang. Heiß war es an diesem Tag auch bereits, der Sommer hatte unüberfühlbar Einzug im hohen Norden Österreichs gehalten. Ich beschloss also, sie in Form eines Intervalltrainings zu meistern: Der Abstand zwischen zwei Leitpfosten am Straßenrand stellte jeweils eine Streckeneinheit dar. Eine solche wurde gelaufen, die nächste zügig gegangen. Dann wurde wieder gelaufen, anschließend wieder gegangen und so weiter. Das funktionierte hervorragend, ich war nicht bedeutend langsamer, als wenn ich ausschließlich gelaufen wäre - es war aber viel angenehmer. So kam ich also verhältnismäßig ausgeruht auf dem nächsten Plateau an, auf dem es recht flach durch den Wald ging. Der Schatten und die Topografie waren äußerst angenehm und gaben mir die Möglichkeit, über den weiteren Streckenverlauf nachzudenken. Um noch länger unterwegs sein zu können, nahm ich mir vor, nach Hirschenschlag und dort im Wald über die Grenze ins benachbarte Tschechien zu laufen. Dabei erwartete mich zwar eine weitere lange Steigung, aber auch diese wollte ich mit der eben erprobten Taktik meistern.

Ich trabte stressfrei durch angenehm schattigen Wald, lief bei Streckenkilometer dreizehn durch Hirschenschlag und tauchte nach der eher emotionslosen Verabschiedung durch eine Kuhherde wieder in waldiges Terrain und die endlosen Weiten des "Tschechischen Kanadas" ein.

 

Dort folgte ich (ganz absichtlich nicht auf dem kürzesten Weg) den kreuz und quer durch die Wälder führenden Radrouten, lief durch das ehedem blühende, mittlerweile verschwundene Romava, das einstmals von seiner deutschsprachigen Bewohnerschaft Romau genannt worden war. Näheres dazu erfahren alle Geschichtsinteressierten hier.

Beim Grenzübergang Kalkberg, etwas oberhalb von Reingers, hatte ich bereits zwanzig Kilometer in den Beinen und beschloss, dass es für diesen Tag genug wäre. Immerhin hatte ich noch weitere eineinhalb Kilometer, bis ich zu Hause ankäme - hätte also einen Halbmarathon als Trainingslauf absolviert. Das war okay. Vor allem, da ich für meine Verhältnisse auf diese Distanz recht flott war,  es waren gerade einmal zweieinviertel Stunden vergangen, als ich zu Hause eintraf.

Genug geleistet, um sich im Garten einen Radler zu gönnen.

Neben dem üblichen viermaligen Krafttraining pro Woche und einer kürzeren, dafür schnelleren Runde stand am folgenden Donnerstag die nächste lange Laufeinheit auf dem Programm. Um weitere ermüdende Wegbeschreibungen zu vermeiden, liefere ich der werten Leserin und dem werten Leser anbei einen Plan der Strecke. Mühsam waren an diesem Tag neben der Hitze die Tatsache, dass der "Mann mit dem Hammer" (also die Unterversorgung mit Kohlenhydraten) und das Zur-Neige-Gehen meiner Wasserreserven sich bei Kilometer achtzehn auf dem Weg von Hörmanns nach Litschau ein Stelldichein gaben. Die verbleibenden siebeneinhalb Kilometer forderten meinen Durchhaltewillen ernsthaft. Aber wie sagt man so schön?: Alles, was im Training passiert, ist Training. Insofern war diese (im wahrsten Sinne des Wortes) Durststrecke eine gute Übung in Selbstdisziplin für den "Megamarsch", auf den ich ja hintrainierte.

Kurz und bündig: Ich überlebte auch das tadellos. What else?

In der darauffolgenden Woche war ich erneut - wenn auch nur von Montag bis Mittwoch - schulisch bedingt im Burgenland unterwegs, brachte also nur zwei Kraft- und zwei kurze, schnelle Laufeinheiten unter.

Erst in der letzten Schulwoche ging sich wieder ein Longjog aus, doch auch dieser war mit nicht einmal achtzehn Kilometern und ziemlich genau zwei Stunden Dauer eher von der harmloseren Sorte. Es war auch an diesem Dienstag mit knappen dreißig Grad im Schatten sehr heiß - und ich verhältnismäßig planlos, was den Streckenverlauf anging. Etwas unmotiviert startete ich von zu Hause durch den Wald in die zu Leopoldsdorf gehörigen Parten (ein paar Höfen auf einer weitläufigen Lichtung), weiter nach Reinberg-Litschau, wo ich eine kleine Runde drehte, auf der Straße nach Reinberg-Dobersberg trabte und anschließend durch die Landzunge des Tschechischen Kanadas zum Reingerser Kalkberg und wieder nach Hause lief.

Dieser Lauf fühlte sich nicht anders an als ein Halbmarathon (oder sogar etwas mehr) und deshalb trank ich bei der Ankunft meinen Radler wieder einmal mit bestem Gewissen.

Und wie bereits erwähnt: Längere Runden wurden mehr und mehr zum natürlichen Bestandteil der Trainingsroutine. Krafttraining, schnelle Läufe, lange Läufe, ich mutierte mehr und mehr zur eierlegenden Wollmilchsau - zumindest, was körperliche Fähigkeiten anging. Aussehensmäßig hoffentlich nicht. Eigentlich war das Gegenteil der Fall: Die Bauchmuskeln zeichneten sich immer deutlicher ab und die Waage war der Meinung, dass ich in den letzten Monaten knappe zehn Kilogramm Gewicht verloren hätte.

Nachdem aber der Spiegel meinte, dass die Muskelmasse nach wie vor unverändert sei (klar, bei vier Krafttrainingseinheiten pro Woche), konnte ich mit diesem Gewichtsverlust ganz gut leben.

Mal schauen, wohin die Reise führen sollte.