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Die nächste Generation

Ich bin sehr froh, dass eine meine täglichen Aufgaben darin besteht, Kinder und Jugendliche zu verschiedenen Formen der Bewegung zu animieren.

Das können Spiele in der Sporthalle genauso sein wie das Laufen um den Litschauer Herrensee, der quasi vor der Haustür meiner Schule liegt. Auch das nahe Hallenbad dient mir regelmäßig als Arbeitsplatz. Ebenso gerne bin ich mit den Schülerinnen und Schülern auf Wintersportwochen, wo viele erstmals in Kontakt mit dem Schifahren kommen, oder ich begleite sie auf Sommersportwochen bei Bergwanderungen, Radtouren, beim Rafting, Klettern oder anderen bewegungsintensiven Aktivitäten.

 

Aber auch mit den eigenen Kindern war - und bin - ich gerne sportlich aktiv. Ich versuche dahingehend ein Vorbild abzugeben und muss sagen: Es scheint geglückt zu sein. Für alle meine Söhne sowie für meine Tochter ist Bewegung etwas ganz Zentrales (teilweise sogar Berufliches), wenn auch die Vorlieben durchaus verschieden ausgeprägt sind.

Ihnen allen macht es Spaß, körperlich aktiv zu sein, insofern ist es zweitrangig, ob dies beim Fußball, beim Trailrunning, beim Schifahren, beim Inlineskaten, beim Radfahren oder beim Klettern ausgelebt wird. Solange meine (auch erwachsenen) Kinder sich gerne und regelmäßig auspowern, mache ich mir um ihre Gesundheit wenig Sorgen. Auch Figurprobleme sind sind so kein Thema.

Geht man jedoch mit offenen Augen durch die Welt, fällt einem unweigerlich auf, dass sich das ursprüngliche Problem der Menschheit, die Gefahr zu verhungern, zumindest in unseren Breiten in sein Gegenteil verkehrt hat:

Nicht Untergewicht ist das Problem der (sprichwörtlich) breiten Masse, sondern Übergewicht.

Wir modernen Menschen Mitteleuropas haben es gut:

Für die Bewältigung längerer (und sogar vieler kürzerer) Strecken können wir auf Autos oder zumindest auf Öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, unsere Berufe werden durch den Einsatz diverser Maschinen erleichtert, große Teile unseres Lebens verbringen wir gemütlich sitzend. Selbst unser hoffnungsvoller Nachwuchs wird in die Schulen und Kindergärten chauffiert (wo wiederum meist zu wenig Bewegung gemacht wird), nur selten werden von den Kleinen hierfür nennenswerte Strecken zu Fuß zurückgelegt oder geradelt.

Nicht zuletzt diesen Umständen ist es zu verdanken, dass  der Anteil adipöser – also fettsüchtiger – Kinder in Österreich heutzutage etwa viermal so hoch ist wie noch Mitte der siebziger Jahre. 

Neben der mangelnden Bewegung ist selbstverständlich auch das falsche Ernährungsverhalten der Österreicherinnen und Österreicher grundlegend an dieser Entwicklung beteiligt – und unsere Jüngsten sind da keine Ausnahme, immerhin übernehmen sie (Ess-)Gewohnheiten großteils vom Elternhaus.

Je mehr wir als Mütter und Väter also darauf achten, uns richtig zu ernähren und möglichst oft und mit Freude zu bewegen, desto wahrscheinlicher ist es, dem eigenen Nachwuchs die typischen Folgen von Fettleibigkeit zu ersparen: Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, ein unattraktives Äußeres sowie schwere Krankheiten im weiteren Leben.

Doch nicht immer ist Übergewicht mit im Spiel, oftmals krankt es vor allem an mangelnder Übung in Kombination mit unterentwickelter Muskulatur - den besten Voraussetzungen für die Entstehung eines Teufelskreises, der von den Betroffenen oft nur mit Hilfe von außen zu durchbrechen ist.

Als Illustration möge hier ein ganz aktuelles Beispiel dienen, das ich persönlich erst vergangenen Donnerstag erleben musste:

 

Projektwoche in Kärnten. Radtour von Tarvis nach Ossiach. Ich als Schlusslicht hinter einer Schülergruppe.

Der Vierzehnjährige vor mir fällt immer wieder hinter seine Mitschülerinnen und Mitschüler zurück.

Er weiß nicht, wie er schalten soll. Also rufe ich ihm zu, wann ein niedrigerer und wann ein höherer Gang einzulegen ist.

Doch das ändert nicht viel: Sobald er hinaufschaltet, fehlt ihm die Kraft, effektiv in die Pedale zu treten. Kein Wunder, immerhin hat er die Fersen statt den Fußballen auf die Pedale gesetzt. Darüber hinaus zeigen seine Zehen und damit auch die Knie nach außen. Unmöglich, so nennenswerte Kraft zu entwickeln.

Durch diese unökonomische Fahrweise verausgabt er sich natürlich unnötig stark, wird noch langsamer, fällt noch weiter zurück. Am Ziel angekommen, lässt er sich erschöpft in die Wiese fallen. Spaß hat ihm dieser - landschaftlich wunderschöne und körperlich eigentlich für Jugendliche seines Alters locker bewältigbare - Ausflug sicher nicht gemacht.

Meine Aufgabe als Sportlehrer war es dezidiert, ihm Hilfestellung zu geben. Tipps, die ihm ermöglichen, mit seinen Klassenkolleginnen und -kollegen mitzuhalten. Ich habe das gemacht: Tipps zum Schalten, Tipps zur richtigen Haltung, Tipps zum vorausschauenden Fahren.

Genutzt haben Sie allerdings wenig, zu eingebrannt waren die falschen Bewegungsmuster, zu wenig Erfahrung mit der Bedienung einer Gangschaltung war vorhanden. Mit vierzehn Jahren. Bei einem Landkind aus einem kleinen Dorf.

Wie hoch mag der Anteil solcher Fälle in der Stadt sein? 

Bitte, liebe Eltern, zeigt euren Kindern nicht nur, wie man das Gleichgewicht auf einem Rad hält. Fahrt mit ihnen und gebt ihnen von klein auf Hilfestellung. Auch und besonders auf Strecken, die sie alleine zurücklegen können, wenn sie zum Einkaufen, zu Freunden oder in die Schule wollen.

Ihr müsst sie dann später nicht so viel chauffieren, sie werden selbstständiger - und sie gewinnen eine körperliche Konstitution, die ihnen durchaus den einen oder anderen Arztbesuch ersparen wird.

Bitte denkt darüber nach.

Im Namen eurer Kinder: Danke.