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Hinter verschlossenen Türen

Wenn ich so durch die Weiten des Internets surfe, wird mir doch so manchmal unwohl. Es ist unheimlich, was auf unserer schönen Erde alles passiert:

Das Covid-19-Virus ist in einem geheimen Labor künstlich generiert und anschließend absichtlich verbreitet worden. Das ist ja auch nur logisch: Die Regierungen haben sich abgesprochen, um ihre Staatsbürger mithilfe der somit notwendig gewordenen Einschränkungen besser kontrollieren zu können. Genialer Plan.

Andererseits bin ich mir nicht sooo sicher: Vielleicht war es doch Bill Gates, der das Virus in Umlauf gebracht hat. Die von ihm im Geheimen entwickelten Chips, die per Impfung in uns alle implantiert werden, verhelfen ihm garantiert irgendwie zur Weltherrschaft.

Was mir allerdings wirklich schlaflose Nächte bereitet, ist der Umstand, dass alle hochrangigen Politiker offensichtlich bereits durch Echsenmenschen ersetzt worden sind. Dass die nichts Gutes mit uns Schlafschafen im Schilde führen, ist ja wohl klar. Also zumindest denen, die sich trauen, ein wenig querzudenken.

Funktionieren kann das natürlich alles auch nur, weil die Regierungen ihre Geheimdienste haben, die für sie die Drecksarbeit erledigen. Ich meine, man weiß doch, dass CIA, KGB oder Mossad hinter vielem stecken, was man auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde. Ich sage nur 9/11. Oder, oder, oder. Die arbeiten ja im Geheimen, total undurchsichtig. Niemand weiß genau, was sie tun. Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen. Da muss was faul sein.

Und jetzt ehrlich: Wir alle wissen doch, dass das immer schon so war. Also, psst, unter uns: Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Juden doch seit Jahrhunderten durch ihre perfide Finanzpolitik im Verborgenen die Geschicke dieser Welt steuern. Das ist bekanntlich im Mittelalter schon so gewesen. Und heute doch genauso. Da sage ich nur: George Soros. Das Böse in Person.

Und wer hat das größte aller Musikgenies, Wolfgang Amadeus Mozart, umgebracht? An „hitzigem Frieselfieber“ soll er gestorben sein. Ich meine, das ist doch keine ordentliche Diagnose! Also, wer wars? Na? Naaa? Wir alle wissen es doch: die Freimaurer. Ganz sicher. Das und noch vieles mehr. Denen kann man nicht trauen. Geheime Riten hinter verschlossenen Türen. Zutritt nur für Eingeweihte. Da hats doch was. Dass Mozart selbst Freimaurer war, steht doch nur vordergründig dieser Theorie im Wege. Es zeigt doch nur, dass diese Typen vor nichts zurückschrecken. Vor nichts!

Wobei - dem auf den Grund zu gehen, wäre interessant. Vielleicht werde ich Mozarts Tod nicht hundertprozentig aufklären können, aber den Freimaurern auf die weiß behandschuhten Finger zu schauen, kann ich ja versuchen. Immerhin habe ich es von zu Hause nicht allzu weit nach Schloss Rosenau, wo seit 1975 das österreichische Freimaurermuseum untergebracht ist.

Und das Allerbeste: Ich bekomme Informationen aus erster Hand, denn ich habe die Möglichkeit, persönlich mit einem echten Freimaurer zu sprechen. Das darf ich mir nicht entgehen lassen.

Also ab ins Auto und los.

Das Schloss liegt abseits aller pulsierenden Hauptverkehrsadern, einsam, düster, schweigend. Gegen einen bleigrauen Himmel voller grausam zerrissener Wolken, durch die ein bleicher Mond entsetzt auf die Erde blickt, zeichnet sich die bedrohliche Silhouette des altersgrauen Gebäudes ab. Im dichtesten Schatten vor dem zyklopischen Tor des Schlosses wartet bereits mein Informant – eine durch einen tiefschwarzen Umhang verhüllte Gestalt, deren fiebrig glänzende Augen nervös wie Irrlichter aus dem Dunkel der Kapuze flackern.

Halt. Stopp. So nicht. Ich bleibe zur Feier des Tages doch lieber bei der Wahrheit. Also noch einmal:

Es ist ein strahlend schöner Spätsommernachmittag, an dem ich mein Auto auf dem Besucherparkplatz von Schloss Rosenau parke. Die Sonne scheint auf das hübsche barocke Gebäude, das von gepflegten Grünflächen malerisch umgeben unter strahlend blauem Himmel liegt. Vögel zwitschern und mein Informant kommt mir breit grinsend entgegen. Mit seinem Dreitagesbart, der Intellektuellenbrille und seinem weißen Hemd wirkt der Nicht-ganz-Mittfünfziger nur halb so geheimnisvoll, wie ich das wahrscheinlich gern gehabt hätte. Aber egal. Never judge a book by it’s cover. Stille Wasser sind tief. Oder was es da halt noch für Weisheiten gibt.

Der Mann hat übrigens selbst Kontakt zu mir aufgenommen – und zwar einfach deshalb, weil er als Stammhörer meines Podcasts eine Ergänzung zu einer der vergangenen Folgen anbringen wollte. In „Vampirjäger Ihrer Majestät“ habe ich ja erst kurz zuvor von Gerhard van Swieten, dem Leibarzt Maria Theresias berichtet. Den Umstand, dass dieser – wie übrigens einige Berater des Hofes und auch der Kaiser selbst – Freimaurer gewesen sind, habe ich in dieser Folge aus Gründen der Stringenz unterschlagen.

Doch was hat es mit dieser mysteriösen Vereinigung auf sich? Welche dunklen Geheimnisse verbergen sich hinter den verschlossenen Türen? Welche Komplotte werden dort im Verborgenen geschmiedet? All diesen Fragen werde ich also im investigativen Gespräch mit jenem freimaurerischen Whistleblower auf den Grund gehen können. Die Chance meines Lebens.

Wir beginnen einen Rundgang durch das Freimaurermuseum des Schlosses.

Dankenswerterweise hat mein Informant bereits die Eintrittskarten erworben und so starten wir ohne weitere Verzögerung ins Obergeschoß des Schlosses.

Sogar das dort eingerichtete Museum selbst hat eine durchaus interessante Geschichte:

In den 1970er Jahren wurde das bereits etwas heruntergekommene Schloss Rosenau vom Land Niederösterreich erworben und einer gründlichen Renovierung unterzogen. Das Spannende war, dass unter vielen Schichten von Übermalungen Fresken mit eindeutig freimaurerischen Symbolen auftauchten. Auch ein Tempel, also der Ritualraum der Freimaurer, wurde entdeckt, in seinen Originalzustand gebracht und mit passendem Mobiliar aus dem 18. Jahrhundert eingerichtet. Dieser wird heute wieder als solcher genutzt und gilt als der älteste noch verwendete Tempel der Freimaurer in Kontinental-Europa.

Durch die Räumlichkeiten des Museums spazierend, staunt man als unvorbereiteter Besucher nicht schlecht: Persönlichkeiten, die man mit allem, nur nicht mit einem okkulten Männerbund, in Verbindung gebracht hätte, waren Mitglieder von Freimaurerlogen. Zwar darf sich jedes Mitglied dieser Vereinigung selbst „outen“ – und manche tun das durchaus –, nach dem Ableben des Freimaurers darf seine Zugehörigkeit aber öffentlich gemacht werden. Deshalb folgen nun auch lediglich die Namen von bereits verstorbenen Personen.

Also, beginnen wir: Franz Stephan von Lothringen, Josef Haydn, der bereits erwähnte Wolfgang Amadeus Mozart ebenso wie sein künstlerischer Partner Emanuel Schikaneder, Franz Liszt, Alfred Adler, Hermann Bahr, die Operettenkomponisten Carl Millöcker und Carl Michael Ziehrer, Fritz Grünbaum, Ferdinand Hanusch, der in einer anderen Podcastfolge bereits zitierte Felix Salten, Leo Slezak, Julius Tandler, Wolfgang Bauer, Karlheinz Böhm, Milo Dor, Gottfried von Einem, Otto Grünmandl, Rudolf Hausner, Georg Kreisler, Jörg Mauthe, Fritz Muliar, Hugo Portisch, Fred Sinowatz, Erich Sokol, Friedrich Torberg, Hugo Wiener, Helmut Zilk. Ein ziemlich bunter Querschnitt durch Österreichs Politik-, Kultur- und Wissenschaftsprominenz der letzten zweieinhalb Jahrhunderte. Alles Persönlichkeiten, die als Schurkenfiguren nicht recht taugen. Jede von ihnen ist natürlich ein Kind ihrer Zeit gewesen, doch eines haben sie alle gemeinsam: Keinen der Genannten verbindet man mit Menschenverachtung, Rassismus, Ausbeutung oder anderen Grausamkeiten. Zumeist ganz im Gegenteil.

Wieso aber haftet der Freimaurerei dann ein so hartnäckiger Nimbus der Verschwörung oder des Unberechenbaren an? Das versuche ich nun in Begleitung meines Exklusivführers durch das Freimaurermuseum zu ergründen.

Quelle: freimaurermuseum.at
Quelle: freimaurermuseum.at

In diesem kleinen, aber sehr feinen Museum erhält man auf Schritt und Tritt einen Überblick über die Geschichte der internationalen, besonders aber der österreichischen Freimaurerei. Und auch wenn man diverse Gegenstände betrachten kann, die in der Tempelarbeit der Logen zum Einsatz kommen, hat man immer das Gefühl, das Wesen der Freimaurerei nie ganz fassen zu können. Immer bleibt ein Rest an Unbekanntem, für Nichtfreimaurer Mysteriösem – und genau das macht diese Vereinigung wohl in den Augen mancher Leute so gefährlich. Was man nicht kennt, fürchtet man. Ein nur zu menschlicher Reflex.

Doch was sind die Freimaurer denn nun?

Mein Informant beschreibt es anschließend an unseren Museumsrundgang beim Kaffee auf der sonnigen Terrasse des Schlosses etwa so:

Das Ziel eines Freimaurers ist, einfach oder auch nicht, ein besserer Mensch zu werden - und das durch die intellektuell anregende Begegnung mit anderen, etwa in respektvollen Diskussionen. In der Freimaurerei geht es um Selbsterziehung, also um die bewusste Arbeit am Selbst, am „rauen Stein“, wie er es in einem Vergleich sehr treffend beschreibt.

Das klingt so absolut nicht umstürzlerisch, nicht geheimnisvoll, nicht gefährlich.

Warum aber ist dann das Ansehen der Freimaurerei in der Öffentlichkeit ein eher dubioses? Wieso haftet dieser Vereinigung ein Ruf an, der schnell Gedanken an finsterste Verschwörungen entstehen lässt?

An diesem Nachmittag schälen sich für mich zwei Erklärungen aus den Worten des langen, interessanten Gesprächs im Waldviertler Sonnenschein heraus:

 

Die erste ist eine historisch begründete. Immerhin sind die modernen Demokratien ja noch nicht sehr alt. Bevor sie sich etabliert haben, hat sich die Freimaurerei auch für massive Systemänderungen eingesetzt.

Die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (oder wie man heute sagen würde Liberalität, Demokratie, Solidarität), die sich (ja nicht nur) die Freimaurer auf die Fahnen geheftet haben, sind einst so radikal und anrüchig gewesen, dass sie als gefährlich angesehen worden sind.

Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit des Individuums, Bürger- und Menschenrechte sind Errungenschaften der Gesellschaft, die nicht unwesentlich von Freimaurern vertreten oder auch aktiv erstritten worden sind – und das zumeist gegen den Widerstand der Herrschenden, egal ob diese im Gewand absolutistischer Monarchen, verknöcherter Kirchen oder später in Gestalt totalitärer Systeme daherkamen. Diese Mächte haben sich gewehrt – durch Verleumdungen, also das In-die-Welt-Setzen diverser Verschwörungsmythen, oder aber mit Verboten und Verfolgung. Und wie ich bereits in der Podcastfolge „Hass lebt ewig“ am Beispiel des „Anderl von Rinn“ dargelegt habe, sind genau solche Verschwörungsmythen langlebig. Sehr langlebig. Beinahe unsterblich. Das merken die Freimaurer bis heute.

Der zweite Grund für den dubiosen Ruf, der den Freimaurern bei all jenen anhaftet, die sich nie ernsthaft die Mühe gemacht haben, etwas über jene Vereinigung in Erfahrung zu bringen, liegt wohl an dem Umstand, dass nicht öffentlich einsehbar ist, was diese bei ihren Zusammenkünften tun. In einer Zeit, in der man Oben-ohne-Selfies im Badezimmer knipst, sein Frühstück für die Follower fotografiert und eine nicht unerhebliche Menge fremder Menschen über die eben durchlittene Blasenentzündung auf dem Laufenden hält, mutet es ziemlich anachronistisch an, nicht alles öffentlich darzulegen, was einem wichtig ist.

 

Doch genau das ist ein Zeichen dafür, dass es wichtig ist. Wichtig, einen geschützten Raum zu haben, in dem man sich offen und ehrlich austauschen darf, ohne Angst haben zu müssen, dass einem die Worte im Mund umgedreht oder sie aus dem Zusammenhang gerissen werden.

Ideen und persönliches Wachstum sind zarte Pflänzchen, die in ihren Ursprüngen geschützt werden wollen, solange sie noch nicht stark genug sind, um dem Wind der öffentlichen Diskussion standzuhalten.

Was früher der Pranger gewesen ist, sind heute die sozialen Medien: ein ungeschützter Raum, in dem Menschen mit viel Meinung und wenig Wissen in weiten Bereichen den Ton angeben und nicht zögern, alles mit verbalem Unrat zu bewerfen, was nicht in ihr Weltbild passt.

Angst macht dumm, sagt man. Und Dummheit ist das Letzte, was Freimaurer anstreben.

Als vehementem Verfechter der Gleichberechtigung von Mann und Frau brennt mir bei unserem Gespräch natürlich ein Punkt unter den Fingernägeln, den ich bisher noch nicht direkt angesprochen habe: Wieso sind die Freimaurer nach wie vor als Männerverein verschrien? Da hält man den Wert der Gleichheit demonstrativ so hoch und dann das?

Mein Gegenüber liefert mir auf diese Frage gleich eine Reihe von Antworten. Die meisten überraschen mich nicht:

Zum Ersten sei dies der Tradition geschuldet, immerhin stamme die Freimaurerei ja aus patriarchalisch dominierten Zeiten. Und Männer wollten auch heute zu manchen Gelegenheiten unter sich sein. Wie Frauen eben auch. Außerdem hätte Eifersucht der daheim bleibenden Partner bei Treffen der Loge so keine Chance.

Nachvollziehbar, im 21. Jahrhundert für mich aber dann doch ein wenig merkwürdig. Unwillkürlich muss ich an den Zölibat in der römisch-katholischen Kirche denken. Nicht ganz vergleichbar, ich weiß, aber für seine Assoziationen kann man ja nichts.

Die nächste Information, die ich von meinem Gesprächspartner erhalte, hätte ich allerdings nicht erwartet: Es gebe nämlich auch Freimaurerinnen, organisiert in eigenen Frauenlogen. Und das schon zu Zeiten, als die Frauenbewegungen weltweit noch in den Kinderschuhen gesteckt hätten, seit über einem Jahrhundert. Selbst gemischte Logen würden existieren.

Nun, das überrascht mich. Das habe ich nicht gewusst. Also doch nichts mit meinem Allwissenheitsanspruch. Ertappt. Offenbar hätte ich mich doch ein wenig auf den Nachmittag vorbereiten und mich nicht auf meine Allgemeinbildung verlassen sollen. Gefährliches Halbwissen und so. Man kennt das. 

Doch mein Gegenüber ist mir nicht böse. Nachdem ich im Gegenzug zu den von ihm gelösten Eintrittskarten unsere Konsumation beglichen habe, spazieren wir zurück zu unseren Autos.

 

Wir trennen uns im Guten. Und ich weiß, er wird auch weiterhin meinen Podcast hören.

Wahrscheinlich sogar hin und wieder mit seinem schulpflichtigen Sohn. Eigentlich fast menschlich, diese Freimaurer.

Aber ganz ehrlich: Natürlich haben sie mich bestochen, um in diesem Artikel nicht all ihre dunklen Machenschaften aufzudecken. Man kennt das ja: Die Eliten, die uns Anständige und Ehrliche versklaven und mit Hilfe der Pharmaindustrie ruhigstellen. Und wie war das nochmal mit den Chemtrails? Nach denen habe ich ihn jetzt gar nicht gefragt. Verdammt. Da hätte er sicher brandheiße Hintergrundinfos gehabt. Egal, nächstes Mal, neues Glück.

Ich nehme mein Pferdeentwurmungsmittel, spüle es mit einem Schuss magnetisch belebten Wassers hinunter, setze mich in mein Auto und fahre nach Hause.

Die Welt bleibt geheimnisvoll.

Trotz allem.