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Aug in Aug

Als Landbewohner legt man heutzutage naturgemäß viele Wege mit dem Auto zurück, eine Tatsache, die nicht immer so war und vielleicht auch nicht immer so sein wird - zumindest, falls das öffentliche Verkehrsnetz auch im Waldviertel irgendwann vernünftige Ausmaße annimmt. Aktuell ist es aber nun einmal so.

Darum begab es sich (nein, es folgt kein Märchen, sondern ein Tatsachenbericht), dass der Autor dieser Zeilen am heutigen frühen Vormittag aus der Bezirkshauptstadt auf dem Weg nach Hause war. Und das auf vier Rädern, getrieben von einem Verbrennungsmotor und auf den extra dafür geschaffenen Asphaltpisten (vulgo Straßen).

© Hermann Meinold/PIXELIO
© Hermann Meinold/PIXELIO

Die Schneestecken am Straßenrand wirkten ob der mangelnden Anwesenheit des winterlichen Weiß etwas verloren, doch einer, ein ganz unscheinbarer, mitten im Nirgendwo zwischen zwei Dörfern, diente einem großen Raubvogel als Sitzgelegenheit. So erhöht, war es für diesen ein Leichtes, auf den schneelosen Feldern nach Beute Ausschau zu halten. Beim Näherkommen sah ich, dass es ein Bussard war. Schon öfters hatte ich jene Vögel neben den Wiesen und Feldern sitzen sehen, sie sogar immer wieder bei der Jagd beobachten können.

Doch diesmal war es anders: Anstatt aufzufliegen, als ich mit meinem lärmenden Gefährt näherkam, blieb der Bussard sitzen. Ganz ruhig. So, als käme ihm nicht im geringsten in den Sinn, dass er in Gefahr wäre. Im Gegenteil: Er schaute unverwandt in meine Richtung, starr und eindringlich meinen Blick erwidernd. Auch als ich langsamer fuhr, beinahe versucht, neben ihm stehenzubleiben, bewegte er sich nicht. Lediglich sein Kopf drehte sich - er starrte mir direkt in die Augen. Ich bin oft in der Natur unterwegs und habe dementsprechend bereits viele Wildbegegnungen gehabt, doch diese Sekunden waren anders. Ich fühlte mich durch dieses Tier nicht nur wahrgenommen, sondern spürte auch, dass es überhaupt nicht daran dachte, das Feld zu räumen. Dies war sein Revier, nicht meines.

Da erkannte ich, dass es recht hatte: Ich war der Eindringling. Und nicht nur ich, wir alle. Alle, die hier Felder anlegten, alle, die die Landschaft mit Straßen durchschnitten. Der Bussard war an diesem Ort der Hausherr - einen Grund, vor mir Respekt oder Angst zu haben, hatte er nicht. Ich bewegte mich durch sein Domizil, nicht er sich durch meines.

Auf viele Leserinnen und Leser mag diese Erkenntnis nun nicht gerade epochal wirken und in solch profane Worte gegossen, verliert sie an Wirkung, das ist mir durchaus bewusst.

Der Moment jedoch, in welchem mir jener Vogel allein durch seinen Blick zu verstehen gab, wie das natürliche Verhältnis zwischen uns beiden zu werten war, wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Sehr lange.